Samstag, Januar 12, 2008

Angst vor Gaslaternen


Angst ist ein Gefühl, das uns vor lebensbedrohlichen Situationen schützen kann. Da das Leben heute seltener bedroht ist, empfinden wir heute immer mehr irrationale Ängste. Ein schönes Beispiel fand ich im Buch „Der sanfte Wahn“ von Heinrich Eilingsfeld (ISBN 3-87804-195-0):

Warum Gas-Straßenlaternen abzulehnen sind

  1. Aus theologischen Gründen:

    weil sie als Eingriff in die Ordnung Gottes erscheint. Nach dieser ist die Nacht zur Finsternis eingesetzt, die nur zu gewissen Zeiten vom Mondlicht unterbrochen wird. Dagegen dürfen wir uns nicht auflehnen, den Weltplan nicht hofmeistern, die Nacht nicht zum Tage verkehren wollen.

  2. Aus juristischen Gründen:

    weil die Kosten dieser Beleuchtung durch eine indirekte Steuer aufgebracht werden sollen. Warum dieser und jener für eine Einrichtung zahlen, die ihm gleichgültig ist, da sie ihm keinen Nutzen bringt, aber ihn gar in manchen Verrichtungen stört.

  3. Aus medizinischen Gründen:

    die Gasausdünstung wirkt nachteilig auf die Gesundheit schwachleibiger und zartnerviger Personen und legt auch dadurch zu vielen Krankheiten den Stoff, weil sie den Leuten das nächtliche Verweilen auf den Straßen leichter macht und ihnen Schnupfen, Husten und Erkältungen auf den Hals zieht.

  4. Aus philosophisch-moralischen Gründen:

    die Sinnlichkeit wird durch Straßenbeleuchtung verschlimmert. Die künstliche Helle verscheucht in den Gemütern das Grauen vor der Finsternis, das die Schwachen von mancher Sünde abhält. Die Helle macht den Trinker sicher, dass er in den Zechstuben bis in die Nacht hinein schwelgt, und sie verkuppelt verliebte Paare.

  5. Aus politischen Gründen:

    sie macht die Pferde scheu und die Diebe kühn.

  6. Aus volkstümlichen Gründen:

    öffentliche Feste haben den Zweck, das Nationalgefühl zu wecken. Illuminationen sind hierzu vorzüglich geschickt. Dieser Eindruck wird aber geschwächt, wer derselbe durch allnächtliche Quasi-Illuminationen abgestumpft wird. Daher gafft sich der Landmann toller in dem Lichtglanz als der lichtgesättigte Großstädter.
Diese Argumente waren im 19. Jahrhundert (nachweislich 1819) in mehreren deutschen Zeitungen zu lesen.“